von Max Frisch, Regie: Hans-Jürgen Herschel >>

Mitwirkende
Don Juan   Ruben Bruder>>
Tenorio, sein Vater   Jochen Laugsch>>
Miranda   Susanne Loreit>>
Don Gonzalo   Eckart Scholl>>
Donna Elvira, seine Gattin   Ingrid Haker>>
Donna Anna, ihr Kind   Friederike Winkelmann>>
Pater Diego   Rolf Memmel>>
Don Roderigo   Reinhard Arnold>>
Donna Inez   Christine von Lips>>
Celestina, die Kupplerin   Dawn Anne Dister>>
Leporello   Günther Nofz>>
Don Balthasar Lopez   Reinhard Schmidt>>
Fechtender Vetter   Uli Schalck>>
Witwen   Silvia Gonsior>>
Witwen   Lena Csercsevics>>
Witwen   Jolanthe Sowa>>
 

Technik
Technik   Moritz Henkel>>
Kostüme   Helene Henkel>>
Bühnenbild   Uli Schalck>>
Regieassistenz   Ivana Jelisavac>>
Plakat und Programm   Michael Lauter>>
 

Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie

Laut Zählung seines Dieners Leporello hatte Don Juan 1003 Liebschaften. Addiert man zu dieser Zahl 1 und multipliziert das Ergebnis mit 2, erhält man – einszweidrei sozusagen- 2008, und das ist das Jahr der Mathematik. Niemand wird uns glauben, dass wir deswegen in unserem 40. Jubiläumsjahr Max Frischs Stück spielen. Und es ist auch nicht so.
Wir wollten „etwas Lustiges“ spielen, weil das Publikum immer danach verlangt und in Zeiten bombastischer Finanzkrisen so etwas auch verdient. Da drängte sich ein multipler Herzensbrecher und Gattenerstecher natürlich auf.
In der niemals auszutreibenden Hoffnung, nach so vielen Betrogenen die erste Unbetrogene zu sein, die Frau, die Don Juan so zu umstricken versteht, dass er vergisst, wer er ist, schauen die weiblichen Zuschauerinnen auf solch einen Helden. Und in der stillen Gewissheit, ein solcher Don Juan zu sein, investieren die männlichen Zuschauer ihr gesamtes Identifikationspotential in diese Figur, ohne das Risiko zur Kenntnis zu nehmen, als Gehörnter oder gar Erstochener hart auf dem Boden der Realität aufzuschlagen.
Nun hat sich aber Max Frisch, der übrigens auch ausgebildeter Architekt war und etwas von Mathematik verstand, einen ganz anderen Don Juan ausgedacht. Einen, der, abgeschreckt vom Sumpf des Ungenauen, des Ungefähren, aber nicht Ungefährlichen unserer Gefühle, sich nur nach einem sehnt: nach unabweisbarer Genauigkeit. Und sie sieht er in der Geometrie realisiert.
Da wir uns aber nicht unabhängig von unserer Mitwelt von innen definieren können, sondern immer den fremdbestimmten Definitionen von außen ausgesetzt bleiben, wird Don Juan seine Rolle nicht los. In dem Maße nämlich, in dem er darauf verzichtet, den Frauen nachzulaufen, laufen sie ihm nach. So, als wirke seine abweisende, abgewandte Passivität paradoxerweise gerade anziehend. Alle fliegen auf den, der sich ihnen entzieht. Ein guter Trick, könnte man meinen – doch für Don Juan ist es ernst. Auch die Höllenfahrt rettet ihn nicht.
Aber wenn das Stück vorüber ist, kann man sich vielleicht fragen, ob er nicht doch gerettet wurde: nämlich vor der eigenen, in leblosen Perfektionismus gesteigerten Liebe zur Geometrie.


Die zwei Parallelen

Es gingen zwei Parallelen
ins Endlose hinaus,
zwei kerzengerade Seelen
und aus solidem Haus.

Sie wollten sich nicht schneiden
bis an ihr seliges Grab:
Das war nun einmal der beiden
geheimer Stolz und Stab.

Doch als sie zehn Lichtjahre
gewandert neben sich hin,
da ward’s dem einsamen Paare
nicht irdisch mehr zu Sinn.

War’n sie noch Parallelen?
Sie wusstens selber nicht, -
sie flossen nur wie zwei Seelen
zusammen durch ewiges Licht.

Das ewige Licht durchdrang sie,
da wurden sie eins in ihm;
die Ewigkeit verschlang sie
als wie zwei Seraphim

Christian Morgenstern