von Peter Weiss, Regie: Hans-Jürgen Herschel >>

Mitwirkende
Marat   Ruben Bruder>>
de Sade   Rolf Memmel>>
Corday   Friederike Winkelmann>>
Duperret   Eckart Scholl>>
Coulmier   Christoph Heldmann>>
Ausrufer   Ingrid Haker>>
Ausrufer   Reinhard Schmidt>>
Kokol   Franz Reitschuh>>
Polpoch   Yannick Steinbacher>>
Cucurucu   Susanne Loreit>>
Rossignol   Silvia Gonsior>>
Simonne   Julia Schmitt>>
Roux   Uli Schalck>>
Patienten   Christine von Lips>>
Patienten   Günther Nofz>>
Patienten   Jolanthe Sowa>>
Patienten   Brigitte Diebolt-Urbatzka>>
Patienten   Anja Hennes>>
Pfleger   Christoph Ruppert>>
Pfleger   Jens Hennes>>
Musiker   Ulrike John>>
Musiker   Michael Beutelspacher>>
Musiker   Dimitri Koscheev>>
 

Technik
Kostüme   Helene Henkel>>
Maske   Silvia Pommerening>>
Maske   Charlotte Engler-Schmidt>>
Bühnenbild   Uli Schalck>>
Bühnenbild   Reinhard Schmidt>>
Bühnenbild   Günther Nofz>>
Bühnenbild   Christine von Lips>>
Bühnenbild   Heiner Schultz>>
Plakat und Programm   Michael Lauter>>
Technik   Andreas Schönrock>>
Technik   Christoph Kalck>>
Musikalische Leitung   Dimitri Koscheev>>
 

Vier Gründe, „Marat/Sade“ zu spielen

1. Ein faszinierender Autor

Vor 25 Jahren ist Peter Weiss gestorben, posthum ausgezeichnet mit dem Georg-Büchner-Preis. Erzählt zu den wichtigsten Autoren der deutsche Literatur im 20. Jahrhundert und doch ist er nicht so bekannt, wie er es verdient, ja sein Bekanntheitsgrad scheint eher noch abzunehmen. Sehr zu Unrecht.
1916 in der Nähe von Berlin als Sohn eines Textilfabrikanten und einer Schauspielerin geboren, hat Peter Weiss ein Leben für die Kunst geführt, zunächst – mit geringem Erfolg als Maler, dann als Schriftsteller.
Nach der Machtergreifung der Nazis musste die Familie, der Vater war jüdischer Abstammung, fliehen, zuerst nach London, dann nach Schweden. Dieses Land wurde ihm zur Heimat und hier starb er 1982.
Ursprünglich vor allem von den Surrealisten beeindruckt, wandte er sich in den 60er Jahren mehr und mehr politischen Themen zu. „Marat/Sade“ bildete dafür den Auftakt und traf so sehr den Nerv der Zeit, dass das Stück ein Erfolg auf allen Bühnen der Welt wurde.

2. Ein Stück mit vielen Ebenen

Der Inhalt von „Marat/Sade“ ist die Aufführung eines Theaterstücks, dem bekannten Schema „Theater im Theater“ folgend. Doch bei Weiss wird diese Grundidee mehrfach gesteigert. Zum ersten spielt das Stück in einem Irrenhaus. Ein Teil derer, die hier in eine andere Identität schlüpfen, hat klinisch relevante Probleme mit der eigenen Realität. Ein anderer Teil, ebenso Zwangsinsassen, sitzt aus politischen Gründen: die eigene Identität stößt sich am gesellschaftlich Akzeptierten in übertragenem Sinn sind so auch sie verrückt.
Außerdem ist de Sade, der Autor des aufgeführten Stücks, zugleich Element eben dieses Stücks. Er spielt sich selbst als Gegenspieler Marats, der von einem krankheitshalber Weggesperrten gespielt wird.
Und noch brisanter wird die Struktur, weil das Thema letztlich die menschliche Freiheit ist, weil also die Insassen – bewusst oder unbewusst – ihr eigenes Drama inszenieren, während sie das Revolutionsstück aufführen. Darüber, dass die Grenze zwischen der von ihnen gespielten und ihrer realen Wirklichkeit nicht überschritten wird, wacht das Auge des Direktors – und der Schlagstock der Pfleger.
Dass nun unser Aufführung dieser Aufführung eines Revolutionsstücks in einer Zeit geschieht, in die manche Äußerungen der Figuren fast maßgeschneidert passen, erhöht des Reiz , dieses Stück zu spielen, schließlich ins Unwiderstehliche.

3. Eine musikalische Herausforderung

John F. Kennedy hat über das Mondlandungsprojekt der USA einmal gesagt: „Wir machen das nicht, weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist.“ Auch darin lag für uns eine Motivation, uns an dieses Stück zu wagen. Es fordert uns in neuer Weise, stellt ein Wagnis dar. Es zwingt uns nebenbei zu dem Vergnügen, neue Leute an Bord zu nehmen, gestandene Musiker, vorneweg Dmitrij Koscheew als musikalischen Leiter (mit dem wir allerdings schon einmal bei den „Geschichten aus dem Wienerwald“ erfolgreich zusammenarbeiteten) Haben wir zuviel gewagt? Mögen die Zuschauer darüber entscheiden.

4. Eine politische Grundsatzdiskussion

Heute stehen oft nur noch politische Oberflächenfragen zur Debatte. Bei Peter Weiss geht es um Grundsätzliches. Auf der einen Seite steht der radikale Revolutionär Marat, der bereit sit, die Revolution auch mit Gewalt und unter Ausschaltung politischer Gegner – zum Nutzen des Volkes – voranzutreiben. Auf der anderen Seite steht der extreme Individualist de Sade, der zur Steigerung seiner eigenen Lust vor Exzessen nicht zurückschreckt, aber als Politiker die letzte Radikalität scheut. Skeptisch allem kollektiven Treiben gegenüber zieht er sich eher resignativ ins Private zurück.
Schon bei der westdeutschen Uraufführung 1964 schlug sich das Publikum mehr auf die Seite de Sades, und das mag sich bis heute nicht geändert haben. Aber bei der ostdeutschen Uraufführung in Rostock, von Peter Weiss übrigens sehr geschätzt, senkte sich die Waage auf der Seite Marats.

Politisches Engagement oder individualistischer Rückzug – ist diese Frage nicht auch heute noch relevant?