von Christopher Marlowe, Regie: Hans-Jürgen Herschel >> |
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Warum "Faust" spielen? In diesen Tagen, in denen über die Freiheit der Kunst im Umgang mit religiösen Themen heftig gestritten wird, gewinnt der Faust-Stoff eine eigenartige Aktualität. Über den historischen Faust wissen wir wenig. Das 1587 erschienene "Volksbuch" stellt ihn als einen Menschen dar, der sich der schwarzen Magie ergibt und einen Bund mit dem Teufel schließt, um Wissen und Macht zu erlangen. Am Ende zahlt er den Preis dafür und fährt zur Hölle. Nur dieses Ende ist ein gutes Ende im Sinne des herrschenden Christentums. Ein Faust, der sein vermessenes Streben nicht mit ewiger Verdammnis bezahlt hätte, wäre er ein gar zu schlechtes Vorbild gewesen. Warum aber sollte dieser mutig die Grenzen des Erlaubten überschreitende Faust nicht klammheimliche Sympathien genossen haben - bei denen, die sein Schicksal dramatisch darstellten, und bei denen, die diese Darstellung auf der Bühne sahen? Die eigentümliche Faszination, die von Faust ausgeht, speist sich aus der Lust an der Grenzüberschreitung. Knapp zwei Jahrhunderte nach Marlowe wird Goethe seine Sympathie für Faust unverholen ins Werk setzen. Sein Faust fährt nicht mehr zur Hölle. "Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen" - das ist die Botschaft. So weit konnte Marlowe - vor der Epoche der Aufklärung - unmöglich gehen. Aber dass sein Herz für Faust schlägt, ist deutlich zu spüren. Und heute? Hat sich die Frage nicht längst erledigt? Ist das Dilemma Fausts zwischen dem Streben nach tiefster Erkenntnis und höchster Lust einerseits und der Angst vor drohender Höllenfahrt anderseits noch aktuell? Sind Marlows Rüpel, denen Fausts Zauberbuch nur zu sehr nahe liegenden Bedürfnisbefriedigungen dient, nicht den Repräsentanten unserer Zeit, jene harmlosen, wenn auch lautstarken Gesellen, die an der Oberfläche des Lebens dahinsurfen? Leben wir nicht in Zeiten eines unreflektierten Atheismus, in denen Fausts Aufbegehren gegen von Gott gesetzten Grenzen gar kein Thema mehr ist? Wenn wir Fausts Geschichte aber aus dem christlichen Umfeld in ein islamisches verlegen, wenn wir uns einen Faust vorstellen, der an der Wahrheit des Koran zweifelt, dann erkennen wir schlagartig, welche Provokation im "Faust" steckte - und immer noch steckt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||